Der erste Vers der Epistel (Röm. 8, 12-17) für die Eucharistie am 9. Sonntag nach Pfingsten kann zu irreführenden Überlegungen führen – dort heißt es: „Wir sind also nicht dem Fleisch verpflichtet, Brüder, so daß wir nach dem Fleisch leben müßten.“ An diesem HErrentag und der ganzen Woche geht es weniger um die Spannung zwischen dem geistlichen und dem fleischlichen Leben, sondern um das Volk Gottes. Für ein solches Verständnis sprechen die Lesungen des Morgens und Vormittags, welche unseren Blickwinkel auf mein Volk (Ammi) und Nicht-mein-Volk (Lo-Ammi) hinziehen, und auf die Töchter Barmherzigkeit (Ruhama) und Keine-Barmherzigkeit (Lo-Ruhama). Die Empfindung, welche uns anfänglich bei der göttlichen Lesung aufkommen mag, dass ihre Mutter verworfen werden soll, wird unerwartet und plötzlich aufgelöst: „An jenem Tag - Spruch des HErrn - will ich erhören: Ich will den Himmel erhören, und der Himmel wird die Erde erhören, und die Erde erhört das Korn, den Wein und das Öl, und diese erhören Jesreel. Ich säe sie aus in meinem Land. Ich habe Erbarmen mit Lo-Ruhama (Kein Erbarmen), und zu Lo-Ammi (Nicht mein Volk) sage ich: Du bist mein Volk!, und er wird sagen: (Du bist) mein Gott!“ (Hos. 2, 23-25)
Im Grundgedanken der Erhörung, bei der Auflösung des Ratschlusses Gottes in den ersten beiden Kapiteln des prophetischen Buches von Hosea, wird eine heilige Ordnung geoffenbart, eine Art Erhörungs-Hierarchie. Wenn man die prophetischen Worte nach üblichem Verständnis deuten würde, dann wäre die andere Leseart von Hos. 2, 23f: „An jenem Tag – Wort Gottes (Werk Christi) – will ich (geordnet) erhören: Ich will die Ämter der Kirche erhören, und die Ämter der Kirche werden die Herrschaft der Menschen (Zuständigkeit für den Erdboden-Ha´Arez) in ihrem Gebet vertreten, und die Herrschaft der Menschen vernimmt das Verlangen des Volkes (Gottes), der Getauften und der Gesalbten, und diese stehen für die jüdischen Könige auf!“
Doch in einer solchen Leseart verstehen wir die Bibel oft nicht. An dieser Stelle kann man jedoch die Auslegung und Deutung kürzer zusammenfassen. Denn hauptsächlich geht es um die Einheit der Beschnittenen am Leib und am Herzen, wie es der Prophet ausdrückt: „Die Söhne Judas und die Söhne Israels werden sich zusammenschließen; sie werden sich ein gemeinsames Oberhaupt geben und die Macht im Land wiedergewinnen. Wahrhaftig, ein großer Tag wird der Tag von Jesreel sein.“ (Hos. 2, 2) Dabei soll unser gemeinsames Oberhaupt kein anderer sein als unser Erlöser und Königssohn Jesus Christus.
Zum anderen sollte man niemals vergessen, dass sich der paulinische Römerbrief an die Juden und Christen in Rom wendet. Für einen Juden ist sein Fleisch heilig, weil sich die Juden als das besondere leibliche Eigentum dessen verstehen, der allein der Heilige ist. Der Umkehrschluss von diesem Verständnis ist ja die wortwörtliche Befolgung der Gebote und Beachtung der Verbote. Weil es aber dem Apostel nicht um Gesetzesbruch geht, was manche Schriftgelehrten auch Christo vorwarfen, erinnert er daran, dass jene, die sich vom Geist Gottes anleiten lassen, Söhne Gottes sind.
Bei allen Geboten und Verboten der Thora geht es vor allem um das Verständnis: „Über dieses Gesetzbuch sollst du immer reden und Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, genau so zu handeln, wie darin geschrieben steht. Dann wirst du auf deinem Weg Glück und Erfolg haben.“ (Jos. 1, 8) Das Reden darüber bei Tag und Nacht schließt sowohl die Unterweisung als auch das Nachsinnen im Herzen ein– von daher sprechen jüdische Ausleger seit alters von einer Herzensliturgie. So beschließt der Apostel seinen Gedanken mit dem Vers: „So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden.“ (Röm. 8, 16f)
Die Frohbotschaft dieses HErrentags (Mt, 7, 15-21) ermahnt uns, wie die geistlichen Ämter des göttlichen Hauses (Propheten Gottes) verstanden werden sollen – An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. (Mt. 7, 16a) Es geht keineswegs nur um die Gaben des Heiligen Geistes, sondern um die Früchte des Baumes. Der Lebensbaum der Ämter ist ja Chistus Jesus, denn kein geistliches Amt vertritt Gott, sondern den Gottessohn. Er ist der Weinstock, wir aber die Reben an Ihm, damit die drei Amtsstufen in ihrem Werk den ganzen Christus verkünden: Im heiligen Fleisch vor seinem Leiden diente er wie ein Diakon, in der Auferstehung verkündigte er die Rechtfertigung der Absolution als Priester und in seiner Himmelfahrt und Wiederkunft will er das ewige Leben als Engel und Bischof unserer Seelen verkünden. So sind die Früchte der Ämter aus Christus das heilige Wasser und das kostbare Blut der Seite Christi – die Sakramente des göttlichen Hauses, nämlich die Taufe und die Eucharistie!
Würde jemand unsere Worte und Sprüche auf die Waage stellen, müsste er bald feststellen, dass jene unter uns im hl. Amt auch nur schwache und fehlbare Menschen sind. Die Frucht der Ämter ist die sakramentale Haushaltung, die Nationen zu Jüngern Jesu zu machen, resp. durch die Taufe zu Gotteskindern, und die Getauften im Kelch des neuen und ewigen Bundes mit Gott, unserem Heiligen Vater, zu einen. Die Früchte dieser Ämter heiligen das Fleisch und den Geist durch den Genuss der Wiedergeburt in der Taufe und der eucharistischen Gaben unter beiden Gestalten, nämlich durch das richtige Reichen des Brotes der Eucharistie, des Leibes Christi, und des eucharistischen Kelches im Neuen und ewigen Bund, im Blut Christi. Denn, „nicht jeder, der zu mir sagt: HErr! HErr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.“ (Mt. 7, 21)
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