Die Propheten werden heutzutage meistens mit Wahrsagern verwechselt. So werden auch in den biblischen Prophetien konkrete Ankündigungen gesucht, die möglichst spannend sind und für irgend jemanden tragisch enden. Je schlimmer, um so besser. Der eigentliche Begriff dessen, was ein Prophet ist, ist doch etwas gänzlich anderes. Mit dem Begriff eines Propheten ist eher jener zu verstehen, welcher den Menschen zu einem Propheten fähig macht, und selber der echte Prophet ist, nämlich der Geist Gottes, der im Antlitz Christi Mensch wurde und sich als Prophet offenbarte. Derselbe, der Geist Gottes, ist aber ein Träger des göttlichen Wesens. Wir Christen glauben, dass der Heilige Geist der eine oder derjenige ist, welcher den Geist des Vaters und den Geist des Sohnes als der eine Geist vereinigt – nicht zwei oder drei Geister sind es, sondern der eine, der die Einheit in der Dreiheit ausmacht.
Derselbe Geist, den wir Heilig nennen und Göttlich, ist außerhalb von Zeit und Raum zuhause, so dass ihm weder Vergangenes noch Gegenwärtiges oder Zukünftiges verborgen bleibt. Selbst die Gedanken aller Lebenden – da dieselben nicht seelisch oder psychisch sind, sondern geistlich oder pneumatisch (luftig – vom Odem des Lebens her), – sind dem Heiligen Geist offenkundig. Und ebendort, bei jenen Menschen, welche in der Heiligen Schrift statt Unglücke und Katastrophen, die gegenwärtigen Umstände des Lebens erkennen und begreifen, greift der Göttliche Geist ein, damit die Verständigen, welche sehen, das Gesehene auch verstehen und offenbaren. Deshalb wird am 14. Sonntag nach Pfingsten auch die Perikope der Verkündigung des Evangeliums (Lk. 10, 23) mit einer Seligpreisung eröffnet, welche nicht zur Bergpredigt gehört: „Jesus wandte sich an die Jünger und sagte zu ihnen allein: Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht.“
Wenn wir von unseren Offenbarungen in der Welt reden würden, könnten uns die wenigsten Mitmenschen glauben, nämlich nur jene, die Ähnliches wahrnehmen. Es gilt also: der Prophet blickt mit den Augen des Geistes, bezeugt es, und dessen Zeugnis verstehen
# die Seligen, deren Augen sehen, was dem Propheten nicht verborgen ist. Das ist auch der Grund, weshalb den Lohn der Propheten nur jene empfangen können, welche die Propheten annehmen – weil sie ob der Fähigkeit, zu sehen und zu verstehen, was den Propheten geschenkt ist, glücklich sind, dem Geist Gottes nicht nur zu begegnen, sondern mit demselben geeint zu werden – oder wie es unser HErr Jesus Christus sagt: „Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten.“ (Mt. 10, 40f)
Christus zu jener Zeit zu sehen, als er mit seinen Jüngern Palästina durchwanderte, war vielen Zeitgenossen Jesu geschenkt worden. Leider vermochten nicht alle, die ihn sahen, zu deuten, was sie schauten. Einige sahen einen Menschen, dem sie nicht vertrauten; andere sahen einen Propheten, dessen Lehre dem prophetischen Zeugnis entsprach, nämlich in die Herzen zu schauen und die Gedanken Gottes zu offenbaren. Selig zu preisen waren nur jene, welche in Jesu den Verheißenen sahen, den Sohn Gottes. Auch wenn Er Rabbi gerufen wurde, also ein Lehrer des Gesetzes war, so ist die Satzung (Thora) wie jede Lehre nur dann verständlich, wenn sie auch die Fähigkeit des Lehrers offenbart, nämlich die Begabung aus Gott zu reden. Dies bedeutet für uns nicht, dass wir im Lehrer eine göttliche Autorität suchen. Nein – vielmehr ist uns die Satzung erbaulich, wenn uns der Sinn der Satzung geoffenbart wird, wenn sie mit der Verheißung zusammenhängt, oder wie uns die Epistel dieses Sonntags es ausdrücklich bezeugt: „Wäre ein Gesetz gegeben worden, das die Kraft hat, lebendig zu machen, dann käme in der Tat die Gerechtigkeit aus dem Gesetz; statt dessen hat die Schrift alles der Sünde unterworfen, damit durch den Glauben an Jesus Christus die Verheißung sich an denen erfüllt, die glauben.“ (Gal. 3, 21f)
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