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Teilhaber göttlicher Macht

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Zu behaupten, Macht zu besitzen oder gar nach Macht zu streben, wird heutzutage schnell mit Argwohn betrachtet. Das Umgehen mit der Macht durch die Mächtigen in der Geschichte und heute lehrt uns ja auch, dass diese Macht nur allzu oft aus den unterschiedlichsten Gründen bewusst oder unbewusst missbraucht wird. Die Früchte dieses Missbrauchs sind uns bekannt und wir leiden alle mehr oder weniger, direkt oder indirekt unter ihnen: Ungerechtigkeit, Unfriede, Streit und Neid, Hass, Gewalt und Unterdrückung bis hin zu Krieg und Vernichtung. All das lässt sich schnell als Folge von Machtmissbrauch identifizieren. Doch wie sieht es nun mit der göttlichen Macht aus? Wenn wir Gott erkannt haben – und das glauben wir und wagen es auch zu behaupten – dann sagt uns unser Herz, dass aus der gewissenhaften Ausübung der göttlichen Macht nur gute Früchte hervortreten können!

Es ist noch nicht viele Wochen her, da haben wir im Evangelium des HErrentags gehört, von welcher friedensbringenden göttlichen Macht die Rede ist. Bevor nämlich Jesus den Gelähmten heilte, so dass dieser, auf die Worte Jesu hin, seine Trage nahm und nach Hause ging, sprach er zu ihm: „Hab vertrauen, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“ (Mt, 9. 2c) Nachdem die Schriftgelehrten ihn daraufhin insgeheim der Gotteslästerung bezichtigten, sprach er zu ihnen: „Was ist leichter, zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben!, oder zu sagen: Steh auf und geh umher? Ihr sollt aber erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben.“ Das Ausüben dieser Vollmacht, oder griechisch gesagt „exousía“, ist doch vielleicht die wichtigste Aufgabe in der Sendung der Kirche!? Dies ist der erste Auftrag den der Auferstandene seinen Aposteln gegeben hat – Sünden zu vergeben – als er sie anhauchte und sagte: „Empfangt den Heiligen Geist, wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben und wem ihr sie behaltet, dem sind sie behalten.“ (Joh. 20, 23) Und diesen „globalen“ Auftrag gibt er somit den Elfen auf dem Berg in Galiläa vor seiner Himmelfahrt, als er zu ihnen spricht: „Mir ist alle Macht (exousía) gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Das Bewusstsein, Teil dieses besonderen Absolutionswerkes der Kirche Gottes zu sein, erneuern wir jedes Jahr zu dieser Herbstzeit am Tag der Versöhnungen auf intensive Weise durch das Feiern einer Liturgie, welche dieses Anliegen in ganz besondere Worte fasst...

Gebetsaussagen wie „Gottes Allmacht erweist sich am herrlichsten durch Schonen und Erbarmen.“ und “Gott will nicht den Tod des Todesschuldigen, sondern seine Bekehrung, auf dass er lebe!“, diese und ähnliche Worte aus der Liturgie der Kirche und der Synagoge strafen diejenigen Lügen, welche die Früchte von Gottes Heilsplan und Machtausübung in der Vernichtung dieser Welt sehen und einen Retter verkünden, der kommt um zu zerstören, einen Heiland, der uns eine Offenbarung (Apokalypse) bringt, die Tod und Verderben in bester Hollywoodmanier mit sich bringt. Nein – „Ich bin Gott – und kein Mensch, der Heilige in deiner Mitte“ spricht der HErr, darum komme ich nicht im Zorn um zu vernichten.“ (Hos. 11, 9b)

Wie und in welchem Maß auch wir diese göttliche Macht ausüben sollen, darüber berichtet uns das Evangelium des 23. HErrentags nach Pfingsten (Mt. 18, 21-35), als Petrus Jesus fragte: „HErr, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal? Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.“ Die Zahl sieben deutet ja immer auf eine gewisse Fülle und Vollkommenheit hin. Nun haben wir in der Antwort Jesu aber das zehnfache einer Fülle – und dann packt er noch mal eine „Fülle“ obendrauf.

Wie oft wir unserem Nächsten letztendlich vergeben – liegt natürlich letztendlich an uns selbst und vielleicht daran, wie wir Gott fürchten...? Die Gottesfurcht, in welcher wir, die Kirche, laut Versammlungsgebet des 23. Sonntags nach Pfingsten beständig erhalten werden sollen, ist ja nicht eine Furcht, welche mit Angst übersetzt werden sollte, sondern vielleicht eher mit Ehrfurcht oder ähnlichem. Der vorliegende Fall und die weitere Erzählung vom unbarmherzigen Schuldner im Evangelium jedoch, mahnen und lehren uns, dass hier wohl doch eine gewisse Furcht im ursprünglichen Sinne angebracht ist. Nämlich jene Furcht, dass Gott bei der Beurteilung von uns tatsächlich jenes Maß anlegt, welches wir bei den anderen angelegt haben...

Maßgebend und hilfreich zugleich ist letztendlich aber wohl die Liebe – zu Gott und zum Nächsten – eine Liebe, über die uns der Apostel nicht nur im Hohelied der Liebe belehrt, sondern eine Liebe, welche, wie er in der Epistel an die Philipper schreibt, „an Erkenntnis und allem Verständnis wachsen soll, damit wir lauter und makellos seien für den Tag Christi, erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus, Gott zur Ehre und zum Lob.“ (Phil. 1, 3-11 )

 

 

 

 

 

Gebet vom 23. Sonntag nach Pfingsten


O HErr, wir bitten Dich, erhalte Deine Familie, die Kirche, beständig in wahrer Gottesfurcht, damit sie unter Deinem Schutz frei von aller Widerwärtigkeit, in guten Werken Deinem Namen ergeben sei; durch Jesum Christum, Deinen Sohn, unsern HErrn, der da lebt und herrscht mit Dir, in der Einheit des Heiligen Geistes, ein Gott, in Ewigkeit. Amen.

 

 

 

 

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