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Zur Gerechtigkeit erlöst im Blut Jesu

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Bereits der erste Satz der Verkündigung des Evangeliums für den 7. Sonntag nach Pfingsten löste schon manches Gespräch aus, wo es heißt: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Mt. 5, 20)

Die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und der Pharisäer ist so eine Sache die keiner so richtig versteht. Will man dieses Wort Jesu wortwörtlich beachten, so dürfte man sehr schnell feststellen, dass dies einer unmöglichen Aufgabe gleichkommt.

Die vorgenannte Gerechtigkeit entspricht den strengen Regeln der Auslegung der mosaischen Satzung. Und die hat es in sich. Aufgeschrieben sind diese Auslegungen im Talmud, welcher bereits zur Zeit Jesu bekannt war. Wenn man nun die Auslegung und das Verständnis der einzelnen Vorschriften anschaut, stellt man fest, dass es mehrere Deutungen und Ausführungen für das gerechte Leben und Handeln gibt. Verschiedene Ausleger legen dieselben Regeln recht unterschiedlich aus, und aufgrund ihrer Deutung ergeben sich auch verschiedene Umsetzungen der Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und der Pharisäer.

Auch unter uns Christen beobachten wir verschieden Systeme des Kirchenrechts und unterschiedliche Anleitungen zu einem Gott wohlgefälligen und gerechten Leben. Da werden die biblischen Texte großzügig zitiert, und meistens in den eigenen Zusammenstellungen so wiedergegeben, wie es der jeweiligen Gemeinschaft entspricht. Bei einigen sind es unbeirrbare Definitionen ihres kirchlichen Lehramtes, bei anderen die Erfahrungen der wertvollen Traditionen. Manche sehen die Gerechtigkeit in der Lehre ihrer Vorfahren, welche sie gar einem gegenwärtigen vernünftigen Leben voranstellen, und die sogenannten Bibeltreuen können gar nicht aufhören, mit vielen biblischen Zitaten ihre Zuhörer niederzumachen! Denn alle wollen es ganz genau wissen – wie die anderen auf geradem Weg ins Höllenfeuer stürzen.

Das Grundverständnis der Aussage über die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und der Pharisäer liefert in unserer Liturgie die apostolische Epistellesung in nur einem einzigen Satz: „Wisst ihr denn nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind?“ (Röm. 6, 3) Es geht folglich weniger um die Lehren oder Gebote und Verbote, sondern um die Initiation des Glaubens. Die Grundlage der Gerechtigkeit im Alten Testament ist der Bund zwischen Gott und seinem Volk – dazu erschien derselbe in der Wüste und verlieh seiner erwählten Nation die Würde der Könige, der Priester und der Propheten. Als ein königliches Geschlecht wurden alle Volksangehörige gleichgestellt – so wie die königlichen Söhne und Töchter untereinander auf gleicher Stufe verstanden werden – deshalb nannten sie Gott damals wie heute „unser Vater, unser König“ (Awinu, Melchenu).

Im Gebet und in der Gottesverehrung sind sie als Geschwister brüderlich vereint und nicht in gesellschaftliche Stände zersplittert – im Gebet sind gar Männer und Frauen seit alters gleichwertig. Und frei sind sie, weil sie der prophetischen Würde fähig sind. Sie alle empfingen eine Beschneidung des Fleisches. Dabei handelt es sich nicht allein um die Beschneidung der männlichen Vorhaut – die Beschneidung des Fleisches bedeutet die Beachtung einer göttlichen Weisung, vor allem auf den Prinzipien der Gleichheit, der Brüderlichkeit und der Freiheit, welche eben leiblich in der Einhaltung der Gebote und Verbote ausgelebt werden.

Unsere Initiation ist die Hl. Taufe, in welcher wir am Herzen durch die Gabe des Heiligen Geistes beschnitten werden – zu den gleichen Prinzipien der Gleichheit, der Brüderlichkeit und der Freiheit. Die Ausgießung des göttlichen Geistes in unsere Herzen bedeutet, dass wir den Sinn des Gesetzgebers empfangen haben. Und dieser Sinn ist nicht in Lehren und Vorschriften erhalten, sondern allein im Eintauchen in den Tod Jesu.

Derselbe ist wirklich auferstanden – das feiern wir auch an diesem Sonntag, und wir gründen unser Verständnis der Gerechtigkeit vor allem auf dem Apostelwort: „Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.“ (Röm. 6, 6f ) Nicht irgendwie als lebende Tote verstehen wir uns, sondern als Auferstandene, welche der Sünde gestorben sind und nun vollkommen in der Freiheit der Kinder Gottes leben und dieses Geheimnis sonntäglich im Sakrament eines Neuen Bundes erfahren und feiern – „dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut.“ (Lk. 22, 20)

 

 

 

 

 

Gebet vom 7. Sonntag nach Pfingsten


O Gott, der Du unsichtbare Güter denjenigen bereitet hast, die Dich lieben; ergieße eine solche Liebe in unsere Herzen, daß wir Dich über alles lieben, und so Deine Verheißungen, die alle Wünsche übertreffen, erlangen; durch Jesum Christum, Deinen Sohn, unsern HErrn, der da lebt und herrscht mit Dir, in der Einheit des Heiligen Geistes, ein Gott, in Ewigkeit. Amen.

 

 

 

 

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